Seiten Pfad

Der "prominente Unbekannte": Forschungsprojekt zum Novemberpogrom 1938 gestartet – Ihre Mithilfe ist gefragt

Der Pogrom vom November 1938 stellte den ersten Höhepunkt der nationalsozialistischen Gewalt, Diskriminierung und des Hasses gegen damals noch im Reich lebende Jüdinnen und Juden dar. Dabei ist er alles andere als gut erforscht. Ein neues Forschungsprojekt der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz unter Beteiligung des Forst-Mayer Studien- und Begegnungszentrums widmet sich bewusst diesen Leerstellen und ruft nun zur Mithilfe aus der Bevölkerung auf.

Als zentrales Ereignis auf dem Weg zum Zivilisationsbruch der Shoah ist der 9. November tief im öffentlichen Bewusstsein verankert. Wie kaum ein anderer Aspekt des Nationalsozialismus gilt dieser gemeinhin als gründlich erforscht. Doch bei genauerer Betrachtung werden deutliche Lücken offenbar. Das, was wir bis heute noch immer nicht über den Novemberpogrom wissen, ist erstaunlich viel – es ist der „prominente Unbekannte“. Das neue Forschungsprojekt will Licht in dieses Unbekannte bringen: Zum ersten Mal sollen für das heutige Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz konkrete Zahlen ermittelt werden: Wie viele Personen verloren im Zusammenhang mit der Reichspogromnacht ihr Leben? Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bezogen sich in dieser Frage auf Aufzeichnungen, die Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei, kurz nach den Ereignissen an die Behörden übermittelte. Und indem sie diese nicht in Frage stellten, wurden über Jahrzehnte hinweg falsche Opferzahlen tradiert. Bis heute finden sich in der Fachliteratur dazu nur vage Formulierungen, divergierende Angaben und unzureichende Schätzungen.  

Mit dieser Studie wird ein wichtiger Beitrag zur Neubestimmung des Novemberpogroms geleistet. Sie rückt die offene Gewalt und massiven Übergriffe gegen deutsche Jüdinnen und Juden in den Fokus und bricht dadurch mit verharmlosenden Geschichtsbildern („Reichskristallnacht“). Die Untersuchung nimmt nicht nur die unmittelbaren Opfer in den Blick, sondern möchte den Pogrom in seinen Wirkungen und Kausalitäten sichtbar machen. Als Opfer der Reichspogromnacht werden daher auch jene Personen verstanden, die an den Folgen und Spätfolgen der erlittenen Misshandlungen verstarben oder durch die erfahrene Verzweiflung und Schutzlosigkeit in den Suizid getrieben wurden. Dazu zählen außerdem auch jene Männer, die als sogenannte „Aktionsjuden“ verhaftet, in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt wurden, und dort oder auch nach ihrer Entlassung an den Folgen der Haft starben.

Als Vorbild der Untersuchung gilt die beispielhafte Arbeit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf. 2019 veröffentlichte ein Forschungsteam um den Gedenkstättenleiter Dr. Bastian Fleermann das Gedenkbuch „Die Toten des Pogroms 1938“ und erinnert in kurzen, individuellen Biografien an 131 Opfer auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Explizit wünscht sich das Team Nachfolgeprojekte, um sukzessive zu angemesseneren Einschätzungen der Ereignisse des Novemberpogroms zu gelangen. 

Privaten Forscherinnen und Forschern und lokalen Erinnerungsinitiativen ist es zu verdanken, dass in vielen Städten und Gemeinden bereits recht umfassend zum Pogrom und jüdischen Schicksalen vor Ort geforscht wurde. Die Studie wird daher auch eine Bestandsaufnahme sein, die vorhandenes Wissen und Material zusammenträgt. Auf dieser Basis soll ein Gedenkbuch entstehen, das die bereits geleistete Forschungsarbeit in der Region sichtbar macht und in einer Gesamtschau an die Toten des Pogroms in Rheinland-Pfalz erinnert. 

 

Das Projektteam freut sich über Ihre Mithilfe und Hinweise! 

Nehmen sie dazu gerne den vorliegenden Projektbogen zu Hilfe. Gesucht werden außerdem Dokumente, Fotos, Berichte, Literatur, etc., die Einblicke in individuelle Lebensgeschichten der Opfer eröffnen. Sollte es dabei zu weiteren Fragen kommen, zögern Sie nicht, diese zu stellen. 


Kontakt:
cmanns@synagoge-laufersweiler.de
Tel: 06762 5269
Mobil: 0157 74321551