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Ungleichheiten

Eine ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen kann schädlich für ein demokratisches System sein. Insbesondere dann, wenn Bürger und Bürgerinnen das Gefühl verspüren, dass das aktuelle politische System bei der Beseitigung von wirtschaftlichen Ungleichheiten versagt. Aktuell lässt sich aufgrund dessen der Aufstieg von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa erklären, welche zum Beispiel bereits in Italien, Schweden und Polen innerhalb der Regierungen vertreten sind. In Italien hat die Finanzkrise von 2008 erheblich dazu beigetragen, dass dort die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeklafft ist. Neben der Finanzkrise von 2008 hat auch die Globalisierung dazu beigetragen, dass viele Arbeiter aufgrund der Verlegung von Arbeitsplätzen ins Ausland ihr Einkommen verloren haben.

Die Wurzeln der steigenden wirtschaftlichen Ungleichheiten lassen sich im Aufstieg des Neoliberalismus während den 1980er Jahren finden, in welchen unter der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher und dem ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan der Wirtschaftsliberalismus mit dem Neoliberalismus eine Neugeburt erfuhr. Mit der Amtszeit von Margaret Thatcher und Ronald Reagan erlebte die Wirtschaft eine Reihe von Deregulierungen, vor allem im Banken- und Finanzsektor, und Privatisierungen. Unter US-Präsident Bill Clinton erreichte die Deregulierung des Banken- und Finanzsektor, als 1999 der Glass-Steagall Act, welcher im Rahmen der Großen Depression in den 1930er Jahren verabschiedet wurde, abgeschafft wurde. Mit der Abschaffung dieses Gesetztes war es Banken wieder erlaubt, Kommerzielle Bankgeschäfte mit Investmentgeschäften zu vermischen.

Ein stark deregulierter Banken- und Finanzsektor ermöglichte es den Banken, Kredite an eine große Anzahl von Menschen für den Kauf von Häusern zu vergeben. Immer mehr Menschen konnten sich somit den Wunsch eines Eigenheims erfüllen, dementsprechend gingen auch die Immobilienpreise in die Höhe. Problem an dieser großflächigen Kreditvergabe war, dass viele Menschen nicht mehr in der Lage waren, ihre Kredite zurückzuzahlen. Dementsprechend machten viele Banken in den USA hohe Verluste, Banken wie die Lehman Brothers Investmentbank gingen sogar insolvent. Da amerikanische Banken diese Kredite auch als Wertanlage an europäische Banken verkauften, waren diese von den faulen Krediten ebenfalls betroffen. Die USA und europäische Länder mussten daraufhin viele Banken mit Rettungspaketen finanziert durch Steuern vor dem Bankrott retten.

Durch die drohende Insolvenz vieler Banken waren diese auch nur noch begrenzt bereit, Kredite zu vergeben. Weniger Kredite bedeuten, dass auch weniger Häuser gekauft werden, insofern sanken die Preise für Immobilien. Da die Finanzkrise auch Auswirkungen auf die Realwirtschaft hatte, da aufgrund von weniger Krediten die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen sinken und damit Unternehmen geringere Profite einfahren, verloren viele Menschen ihre Arbeitsplätze oder mussten geringere Löhne akzeptieren. Dies verstärkte noch einmal den Absturz der Immobilienpreise, da weniger Menschen bereit waren, Häuser zu kaufen. Aufgrund der sinkenden Immobilienpreise verloren vor allem Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen ihr Vermögen, da viele Menschen in diesen Einkommensschichten Häuser als Wertanlage benutzen. Währenddessen besitzen Menschen mit höheren Einkommen des Öfteren über breitgefächerte Investment Portfolios, mit welchen sich durch die Finanzkrise entstehende Ausfälle ausgleichen lassen. Alleine aus dieser Tatsache heraus lassen sich schon schwerwiegende Ungleichheiten entdecken, da Personen mit hohem Einkommen mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, welche sie zum Aufbau von Vermögen mit Hilfe von Investment Portfolios nutzen können. Personen mit einem geringen Einkommen haben diese Option nicht, hier besteht deren Vermögen oftmals nur aus dem Besitz von Immobilien. Mit der Finanzkrise ist diese Ungleichheit weiter gestiegen, da das Vermögen von Personen mit geringem oder mittlerem Einkommen aufgrund des Absturzes der Immobilienpreise größtenteils ausgelöscht wurde. Personen mit höherem Einkommen mussten nicht ganz so sehr leiden, da diese dank vielfältiger Investmentanlagen Verluste kompensieren konnten.

Mit den zahlreichen Rettungspaketen für Banken folgte auch ein wachsendes Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber der Politik. Denn die Politik wurde vermehrt als Vertreter der Interessen von reichen Individuen angesehen, welche bei Politikern auf mehr Beachtung treffen als der normale Bürger. Hinzu kam, dass europäische Regierungen zahlreiche Sparmaßnahmen, auch bekannt als Austeritätspolitik, einführten, um die infolge der Rettungspakete überschuldeten Staatshaushalte auszugleichen. Dies bedeutete vor allem Kürzungen der Ausgaben für soziale Bereiche wie der Bildung und dem Gesundheitswesen. Die griechische Regierung musste unter der von der Troika auferlegten Sparmaßnahmen sogar mehr als zehntausend Beamte entlassen. Somit waren es überwiegend die normalen Bürger, welche für die Finanzkrise aufkommen mussten, obwohl Banken und Finanzinstitutionen hierfür verantwortlich waren.

Hiermit lässt sich auch unter anderem das Wachstum von populistischen Parteien erklären, da diese die Frustration der Bürger über das etablierte System für sich nutzen konnten. Denn mit dem Gefühl, dass etablierte Parteien und Politiker nur im Auftrag von großen Banken und reichen Individuen handeln, waren populistische Parteien in der Lage, Anti-Establishment Gefühle zu schüren und für sich zu nutzen. Somit arbeiten populistische überwiegend mit einer “Wir gegen die“ Rhetorik, bei welcher mit „Wir“ die einfache Bevölkerung und mit “die“ die etablierte Elite gemeint ist.

Politiker und Parteien, welche jahrelang an der Macht waren, müssten sich deshalb auch selbst mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern sie den Weg für populistische Kräfte geebnet haben. Beispielsweise haben die Demokraten in den USA vermehrt den Weg des Neoliberalismus eingeschlagen und haben der Sozialpolitik, wie es zum Beispiel in Zeiten des damaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt mit dem New Deal der Fall war, den Rücken gekehrt.

Inwiefern sind Steuern gerecht?

Sind Steuern überhaupt notwendig? Inwiefern lassen sich bestimmte Steuern rechtfertigen?  Ist es gerecht, wenn alle Menschen, egal wie hoch ihr Einkommen ist, beim Kauf von Waren eine Steuer von 19 Prozent bezahlen müssen? All diese Fragen tauchen immer wieder auf, wenn es um die Gestaltung des Steuersystems geht. Bei der ersten Frage, ob Steuern überhaupt notwendig sind, gibt es verschiedene Ansichten. Libertäre Kräfte zum Beispiel lehnen Steuern und einen Staat, welcher Steuer eintreibt, komplett ab. Denn sie sehen die verpflichtende Abgabe von Steuern an den Staat als Diebstahl an, da in ihren Augen Geld nur denen zugutekommen darf, welche dieses auch aus eigener Kraft heraus erarbeitet haben. Somit sollte eine Person frei darüber bestimmen können, wie er oder sie mit dem aus eigener Leistung erbrachten Geld einsetzt. Als prominenteste Vertreterin dieser Ansicht kann zum Beispiel Ayn Rand genommen werden, eine Autorin und Philosophin, welche in Russland geboren wurde und 1926 in die USA emigrierte. In ihrem Essay Government Financing in a Free Society schreibt sie, dass in einer vollkommen freien Gesellschaft Steuern freiwillig sein sollten. Höhere Steuern für Reiche lehnt sie ebenso ab, da diese die Bereitschaft der Reichen zu investieren, senken würde. Ohne die Bereitschaft von Reichen zu investieren würde es unter anderem weniger Produktion geben, und somit auch weniger Arbeitsplätze, und aufgrund der niedrigeren Produktion würden ebenfalls die Preise für Güter steigen.

Auf der Gegenseite wird es als kritisch angesehen, wenn reiche Personen und Unternehmen nur geringe Steuern oder sogar gar keine bezahlen. Vor allem gibt es immer wieder Kritik an der für Unternehmen durch die Globalisierung entstandene Möglichkeit, Gelder in andere Länder zu transferieren, in welchen geringere Steuersätze gelten. Mit diesen Steueroasen müssen Unternehmen und reiche Personen auf Gewinne nicht mehr in dem Land Steuern bezahlen, in welchem sie diese Gewinne erzielt haben. Damit erschließt sich die Option, dass Unternehmen und reiche Personen in einem Land mit einem hohen Steuersatz keine Steuern mehr zahlen müssen. Diese Vorgehensweise wird deswegen kritisch betrachtet, da hierdurch Staaten Einnahmen fehlen, welche wiederum zum Beispiel dem Bildungs- und Gesundheitswesen nicht zugutekommen. Ebenfalls lassen sich durch geringere Einnahmen aufgrund von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung schwerer Ungleichheiten und Armut reduzieren.  Der hierdurch verursachte Ausfall von Staatseinnahmen kann ebenso dazu führen, dass Staaten ihre sozialen Ausgaben noch weiter reduzieren oder höhere Steuern für alle einführt. Diese Maßnahmen betreffen vor allem Personen mit geringerem Einkommen, welche auf Sozialleistungen angewiesen sind. Aufgrund von höheren Steuern haben es diese Personen ebenso schwieriger, ein höheres Vermögen aufzubauen. Denn mit höheren Steuern fehlt ihnen das nötige Investmentkapital, um zum Beispiel in Wertanlagen wie Aktien zu investieren.  

Mit der Veröffentlichung der Panama Papers im Jahr 2016 wurde das Ausmaß der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung von reichen Personen besonders deutlich. Diese Papiere legten offen, dass mit Briefkastenfirmen, welche Mithilfe des Mossack Fonseca Unternehmen eröffnet wurden, ein Steuerverlust von 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr entstand. In Europa gingen laut einem Bericht des europäischen Parlamentes acht Mitgliedsstaaten aufgrund von Briefkastenfirmen Steuergelder in Höhe von 88 Milliarden Euro verloren.

In diesem Arbeitsfeld

Quellen

Quellen

Lindberg, Steffan I./ Martin Lundstedt (2022): Ungleichheit, Demokratie und Autokratisierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Jg. 72, Nr. 37-38, S. 23-28.

Elhefnawy, Nader (2018): Was the Clinton Administration Neoliberal? 

Schwarz, Jon (2016): Here’s the price countries pay for tax evasion exposed in panama papers. 

Stockhammer, Engelbert (2011): Neoliberalism, Income Distribution and the Causes of the Crisis, in: The Financial Crisis, S. 234-258.

Devitt, James (2022): Neoliberal Policies, Institutions Have Prompted Preference for Greater Inequality, New Study Finds.

Smeeding, Timothy (2012): Income, Wealth, and Debt and the Great Recession. Stanford, CA: Stanford Center on Poverty and Inequality. 

Lin, Ken-Hou/Megan Tobias Neely (2020): Why the Great Recession made inequality worse. 

Directorate General for Internal Policies of the Union (2017): The Impact of Schemes revealed by the Panama Papers on the Economy and Finances of a Sample of Member States. 

Rand, Ayn (1964): Government Financing in a Free Society, in: The Virtue of Selfishness, S.82-84.

ARD (2016): PanamaPapers – Im Schattenreich der Offshorefirmen

Alstadsæter, Annette/Niels Johannesen/Gabriel Zucman (2019): Tax Evasion and Inequality, in: American Economic Review, 109(6), S.2073-2103.